Das Projekt kunstpassanten

Wie erfahren KünstlerInnen, TheoretikerInnen und BewohnerInnen der Stadt Zürich den öffentlichen Raum? Wie erzählen sie über diese Erfahrung und auf welche Weise treten Kunstwerke, die den öffentlichen Raum gestalten, in ihren Erzählungen auf? Welche Bilder vom öffentlichen Raum konstituieren sich dabei?

Von Oktober 2009 bis Juni 2010 lädt kunstpassanten in Zusammenarbeit mit dem Fabriktheater Rote Fabrik dazu ein, durch die Stadt zu spazieren! Während verschiedenartiger, teils performativer teils informativer Spaziergänge werden Entstehungsprozesse öffentlicher Räume sowie die Funktion von Kunst im öffentlichen Raum von KünstlerInnen und TheoretikerInnen kritisch und spielerisch thematisiert (mehr darüber unter Beteiligte). In einer auf die ZuhörerInnen ausgeweiteten diskursiven Situation schildern und präsentieren sie unkonventionelle Zugänge zur Kunst und zu öffentlichen Räumen. Die Erfahrung des öffentlichen Raums durch die Praxis des Spazierens und Erzählens soll somit künstlerisch und kritisch untersucht werden.

Mit kunstpassanten möchten wir eine neue Praxis des Ausstellens und eine andere Art der Kunstrezeption vorschlagen: Anstelle eines Museums- oder Galeriebesuchs nimmt der/die Interessierte an einem geführten Spaziergang durch den „Ausstellungsraum“ Stadt teil. Alle Spaziergänge werden dokumentiert, wodurch das Angebot besteht, sich im Archiv einen Spaziergang auszuwählen und diesen eigenständig abzugehen. Die Spaziergänge richten sich demnach hauptsächlich an BewohnerInnen und KennerInnen, aber auch an interessierte BesucherInnen Zürichs, die sich mit der Stadt aus neuen Blickwinkeln auseinandersetzen wollen.

Mit dem Projekt kunstpassanten sollen also neue Sichtweisen auf die Stadt und ihre Kunstwerke erzeugt werden. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass öffentliche Kunstwerke häufig von den Bewohnern der Stadt nicht mehr wahrgenommen werden und mit der Zeit in Vergessenheit geraten, möchten wir sie von dieser besonderen Art des Verschwindens bewahren und eine neue Auseinandersetzung mit Kunstwerken im öffentlichen Raum der Stadt Zürich anregen. Zusätzlich soll kunstpassanten einen weiteren Beitrag zum Diskurs über Entstehungsprozesse von öffentlichen Räumen aus der Perspektive der bildenden und darstellenden Kunst leisten.

Grundlegende Überlegungen zum Projekt stammen einerseits aus der Spaziergangswissenschaft von Lucius Burckhardt, andererseits basieren sie auf dem Forschungsprojekt Kunst Öffentlichkeit Zürich, das zwischen 2004 und 2007 vom Institut für Gegenwartskünste (IFCAR) der Zürcher Hochschule der Künste initiiert und realisiert wurde.

Nach Lucius Burckhardt sind Landschaften – und somit auch öffentliche Räume – immer „Konstrukte“, die durch Medien vermittelt werden. Davon ausgehend versteht er den Spaziergang nicht als blosse Darstellung, sondern als Instrument für die sorgfältige Wahrnehmung und die kritische Hinterfragung einer Umwelt. Durch das Mittel des kollektiven Spazierens und des gegenseitigen Erzählens untersucht kunstpassanten, wie der öffentliche Raum Zürichs und die ihn gestaltenden Kunstwerke von den BewohnerInnen wahrgenommen werden.

Das Forschungsprojekt Kunst Öffentlichkeit Zürich vom Institut für Gegenwartskünste (IFCAR) hat durch Symposien und durch die Realisation verschiedener Projekte die kulturpolitische Diskussion hinsichtlich des Umgangs der Stadt Zürich mit Kunst im öffentlichen Raum erneut angeregt. Dank der Zusammenarbeit mit dem IFCAR versteht sich kunstpassanten als relevanter Beitrag zur Fortsetzung dieses bereits initiierten Diskurses.